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Immer wieder ein brisantes Thema – Wie verfasse ich meinen Willen?

Immer wieder ein brisantes Thema – Wie verfasse ich meinen Willen?

Immer wieder ein brisantes Thema. Wie verfasse ich meinen Willen, dass der auch dann umgesetzt wird, wenn ich es nicht mehr kann!

Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung: BGH klärt Anforderungen

Welche Anforderungen müssen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen? Der BGH hat entschieden, dass eine schriftliche Patientenverfügung, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt, konkrete Entscheidungen des Betroffenen über bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen enthalten muss.

Wie verfasse ich meinen Willen – Darum geht es

Die 1941 geborene Betroffene erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor sie infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013. Die Betroffene hatte 2003 und 2011 zwei wortlautidentische, mit „Patientenverfügung“ betitelte Schriftstücke unterschrieben.
In diesen war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. An die „Patientenverfügung“ angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht, dann an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einzubringen und in ihrem Namen Einwendungen vorzutragen, die die Ärztin berücksichtigen solle.

Außerdem hatte die Betroffene 2003 in einer notariellen Vollmacht dieser Tochter Generalvollmacht erteilt. Diese berechtigte zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung. Die Bevollmächtigte könne „in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden mit dem Zusatz, dass die Betroffene im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.

Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter der Betroffenen die gegenteilige Meinung und haben deshalb beim Betreuungsgericht angeregt, einen sog. Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen, der die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerruft. Während das Amtsgericht dies abgelehnt hat, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge“, bestellt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die Vollmacht schriftlich erteilt ist und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen.

Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann. Ob die beiden von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, weil sie nach ihrem Wortlaut lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise enthalten. Jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt aber den gesetzlichen Anforderungen.

Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein „lebensverlängernde Maßnahmen“. Auch im Zusammenspiel mit den weiteren enthaltenen Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, was für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich wäre. Das Landgericht wird nach Zurückverweisung allerdings zu prüfen haben, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.

BGH, Beschl. vom 06.07.2016 – XII ZB 61/16
Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 09.08.2016

Wie lange muss man eigentlich zahlen?

Wie lange muss man eigentlich zahlen?

Ausbildungsunterhalt: BGH bestimmt Rechte und Pflichten

Wann haben Kinder in der Ausbildung Anspruch auf Unterhalt? Und welche Rechte und Pflichten bestehen? Der BGH hat die Grenzen des Ausbildungsunterhalts näher bestimmt. In welchem Umfang und Rahmen Eltern eine Berufsausbildung ihrer Kinder finanzieren müssen, hängt demnach von den Umständen wie z.B. Schulabschlüssen, Ausbildungsangeboten und der persönlichen und wirtschaftlichen Situation ab.

Wie lange muss man eigentlich zahlen? – Darum geht es

Das antragstellende Land nimmt den Antragsgegner, dessen Tochter es Vorausleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährt hat, auf Ausbildungsunterhalt aus übergegangenem Recht in Anspruch. Die im November 1984 geborene nichteheliche Tochter erwarb im Jahre 2004 das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Ab dem Wintersemester 2004/2005 bewarb sie sich im Vergabeverfahren der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Medizinstudienplatz. Nachdem ihr kein solcher zugewiesen wurde, begann sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin, die sie im Januar 2008 erfolgreich abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin.

Im September 2011 erhielt der Vater durch die Aufforderung des Studierendenwerks zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse Kenntnis von der Studienaufnahme seiner Tochter. Er hatte weder mit deren Mutter noch mit ihr jemals zusammengelebt und seine Tochter letztmals getroffen, als sie 16 Jahre alt war. Per Brief hatte er ihr im Jahre 2004 nach dem Abitur – dessen erfolgreiche Ablegung er annahm – mitgeteilt, er gehe vom Abschluss der Schulausbildung aus und davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Nachdem eine Reaktion hierauf unterblieb, stellte er die Unterhaltszahlungen für seine Tochter ein. Das Amtsgericht hat den auf Zahlung von insgesamt 3.452,16 € (BAföG-Vorausleistung für Oktober 2011 bis September 2012) gerichteten Antrag abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Landes zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Ein einheitlicher Ausbildungsgang in diesem Sinn kann auch gegeben sein, wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch ist zudem vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit aufzunehmen und zu beenden, wobei ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes unschädlich ist. Eine feste Altersgrenze, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Unterhaltspflicht richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Denn zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird.

Eine Unterhaltspflicht wird daher umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Auch wenn der Unterhaltsanspruch keine Abstimmung des Ausbildungsplans mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, kann es der Zumutbarkeit entgegenstehen, wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden. Nach diesen rechtlichen Maßgaben bestand im vorliegenden Fall kein Unterhaltsanspruch mehr. Allerdings ist das Studium nicht allein wegen der Abiturnote unangemessen. Entstehen bei einem mit Numerus Clausus belegten Studiengang notenbedingte Wartezeiten, kann das lediglich zur Folge haben, dass das Kind seinen Bedarf während der Wartezeit durch eine eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen muss.

Auch fehlt insbesondere nicht der zeitliche Zusammenhang zwischen Lehre und Studium, weil die Tätigkeit im erlernten Beruf lediglich der Überbrückung der zwangsläufigen Wartezeit diente. Die Inanspruchnahme des Vaters ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls hier unzumutbar, selbst wenn er während der Lehre seiner Tochter nicht für ihren Unterhalt aufkommen musste. Denn bei dem Alter der Tochter von fast 26 Jahre bei Studienbeginn musste der Vater typischer Weise nicht mehr ohne weiteres mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter rechnen. Entsprechend hatte er im Vertrauen darauf, nicht mehr für den Unterhalt der Tochter aufkommen zu müssen, verschiedene längerfristige finanzielle Dispositionen (kreditfinanzierter Eigenheimkauf; Konsumentenkredite) getroffen. Dieses Vertrauen war im vorliegenden Fall auch schützenswert, weil ihn seine Tochter trotz seiner schriftlichen Nachfrage zu keinem Zeitpunkt über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt hatte.

BGH, Beschl. v. 03.05.2017 – XII ZB 415/16
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 03.05.2017

MPU auch bei erneuerter ausländischer EU-Fahrerlaubnis

MPU auch bei erneuerter ausländischer EU-Fahrerlaubnis

Kann man verpflichtet werden sich einer MPU zu unterziehen wenn die ausländische EU Faherlaubnis erneuert wurde?

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Pflicht, sich nach einer Alkoholfahrt einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen, nicht durch die Erneuerung einer spanischen Fahrerlaubnis entfällt. Die bloße Erneuerung eines Führerscheins sei kein Beweis dafür, dass die Fahreignung nach Entziehung der Fahrerlaubnis wieder erlangt worden sei.

Darum geht es

Der Kläger ist Deutscher, der sich seit 1992 überwiegend in Spanien aufhält. Er erwarb 1992 in Spanien eine Fahrerlaubnis der Klassen A und B. Diese Fahrerlaubnis wurde ihm 2009 vom Amtsgericht Karlsruhe-Durlach wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 2,12 Promille für das Bundesgebiet entzogen. Nach Ablauf der vom Amtsgericht verhängten Sperrfrist für eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde der spanische Führerschein des Klägers in Spanien mehrmals erneuert.

In Spanien sind Führerscheine – abhängig vom Lebensalter des Inhabers – zehn, fünf oder zwei Jahre gültig. Bei Ablauf der Gültigkeitsdauer wird der Führerschein dann erneuert, wenn ein vorgeschriebener Gesundheitstest bestanden worden ist. Wegen der im Recht der Europäischen Union verankerten Pflicht der Mitgliedstaaten, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine „ohne jede Formalität“ anzuerkennen, vertrat der Kläger gegenüber der deutschen Fahrerlaubnisbehörde den Standpunkt, dass er infolge der Erneuerung seines spanischen Führerscheins wieder berechtigt sei, in Deutschland ein Kraftfahrzeug zu führen.

Die deutsche Fahrerlaubnisbehörde vertrat hingegen die Auffassung, dass ihm das Recht, von seiner spanischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, erst dann wieder zustehe, wenn er durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten belegt habe, dass er inzwischen in der Lage sei, Alkoholkonsum und Autofahren hinreichend voneinander zu trennen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe folgte dieser Rechtsauffassung und hat die Klage abgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die  eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Zur Begründung führt der Senat in seinem Urteil unter anderem aus, dass unionsrechtlich ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein nur dann „ohne jede Formalität“ von Deutschland anzuerkennen sei, wenn der ausstellende Mitgliedstaat unionsrechtlich verpflichtet gewesen sei, sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu prüfen.

Dies sei aber nicht der Fall, wenn ein Führerschein der Klassen A und B bei Ablauf der Gültigkeit erneuert werde. Vielmehr könne jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang er die Erneuerung eines Führerscheins von bestimmten Tests oder Kursen abhängig mache. Die bloße Erneuerung eines Führerscheins tauge daher – anders als das bei einer Neuerteilung der Fall ist – nicht als Beweis dafür, dass sein Inhaber – nach der Fahrerlaubnisentziehung – seine Fahreignung wieder erlangt habe.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Diese kann von dem Kläger binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden.

VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.06.2017 – 10 S 1716/15

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 14.07.2017

Streit um Kinderimpfung: Wer entscheidet?

Streit um Kinderimpfung: Wer entscheidet?

Wenn sich Eltern über Schutzimpfungen ihres Kindes nicht einigen können, kann das Familiengericht bestimmen, wer die Entscheidungsbefugnis hat. Ein Elternteil, der sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) ausrichtet, kann dann zu Recht als besser geeignet angesehen werden. Ein gesondertes Gutachten ist in diesem Fall nicht notwendig. Das hat der BGH entschieden.

Darum geht es

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen Eltern ihrer im Juni 2012 geborenen Tochter. Diese lebt bei der Mutter. Zwischen den Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt.

Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter ist ohne Erfolg geblieben. Nach § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.

Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, welche nach § 1687 Abs. 1 BGB in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fiele, bei dem sich das Kind aufhält, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen, die als Alltagsangelegenheiten häufig vorkommen.

Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.

Das Oberlandesgericht hat den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden.

Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, konnte das Oberlandesgericht auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, musste das Oberlandesgericht dagegen nicht zum Anlass für die Einholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens über allgemeine Impfrisiken nehmen.

BGH, Beschl. v. 03.05.2017 – XII ZB 157/16

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 23.05.2017

Fiktive Reparaturkosten – Was zahlt die Kfz-Versicherung?

Fiktive Reparaturkosten – Was zahlt die Kfz-Versicherung?

Unter welchen Voraussetzungen können Kaskoversicherungen bei einer fiktiven Schadensabrechnung – also tatsächlich nicht durchgeführten Reparaturen – auf niedrigere Preise einer „freien“ Werkstatt verweisen? Der BGH hat nun die Voraussetzungen benannt, nach denen die Aufwendungen, die bei Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden, ersatzfähig sind.

Fiktive Reparaturkosten: Darum geht es

In dem Rechtsstreit begehrt der Kläger, der seinen Mercedes nach einem Unfallschaden nicht reparieren ließ, von seinem Kaskoversicherer den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten auf Gutachtenbasis. Dabei legt er ein von ihm beauftragtes Gutachten zugrunde, in dem auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer Mercedes-Fachwerkstatt ein Reparaturkostenaufwand von rd. 9.400 € ermittelt worden ist.

Der beklagte Versicherer regulierte dagegen auf der Basis eines von ihm eingeholten Gutachtens nur rd. 6.400 €. Diesem Gutachten liegen die Lohnkosten einer ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde. Die Differenz von knapp 3.000 € ist Gegenstand der Klage.

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In Ziffer A.2.7.1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) 2008 heißt es:

„Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

a) Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1.b.

b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6.“

Die Klage hatte beim Amtsgericht Erfolg; das Landgericht hat sie auf die Berufung des beklagten Versicherers abgewiesen. Es hat ausgeführt, soweit die Reparatur des Fahrzeugs auch in einer markenfreien Fachwerkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur führe, seien nur die dort anfallenden Kosten als erforderlich im Sinne der AKB anzusehen. Für die vom Amtsgericht befürwortete Übertragung der Grundsätze aus dem gesetzlichen Haftungsrecht fehle es an einer tragfähigen Begründung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat demgegenüber zwar bestätigt, dass in der Kaskoversicherung allein die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien maßgeblich sind und deshalb die für den Schadensersatz – also insbesondere für die Ersatzpflicht des Unfallgegners – geltenden Regelungen nicht angewandt werden können.

Er hat aber weiter entschieden, dass die Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt auch nach der maßgeblichen Auslegung der Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abhängig von den Umständen des jeweiligen Falles als „erforderliche“ Kosten im Sinne der Klausel anzusehen sein können.

Danach kann der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen dann ersetzt verlangen, wenn nur in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs möglich ist, im Regelfall aber auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.

Dass eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist vom Versicherungsnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen.

Da das Berufungsgericht hierzu bislang keine Feststellungen getroffen hat, hat der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BGH, Urt. v. 11.11.2015 – IV ZR 426/14

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 11.11.2015

Dreimal zu schnell ist nicht genug

Dreimal zu schnell ist nicht genug

Eine Fahrerlaubnis darf nicht schon deshalb entzogen werden, weil ein nach drei Geschwindigkeitsübertretungen geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPG) nicht vorgelegt wurde, hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden. Demnach muss die Fahrerlaubnisbehörde in solchen Fällen ausführen, warum sie ein MPG aus besonderen Einzelfallgründen für notwendig hält.

Dreimal zu schnell – darum geht es

Der Antragsteller ist seit 2008 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B. Er wurde im Zeitraum Februar 2015 bis Mai 2016 wegen der folgenden Geschwindigkeitsüberschreitungen belangt: am 06.02.2015 Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 70 km/h um 34 km/h nach Toleranzabzug, am 14.12.2015 Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 100 km/h um 23 km/h nach Toleranzabzug auf einer BAB, am 13.05.2016 Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 120 km/h um 56 km/h nach Toleranzabzug auf einer BAB.

Nach Bekanntwerden dieser Tatsachen verlangte die Stadt Ludwigshafen am Rhein (im Folgenden: Antragsgegnerin) am 07.10.2016 von dem Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle, um bestehende Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers auszuräumen. Hiermit war der Antragsteller zunächst einverstanden und unterzog sich einer entsprechenden Untersuchung. Das Gutachten legte er dann aber mit der Begründung nicht vor, dieses leide an elementaren Mängeln.

Daraufhin entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 03.01.2017 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führte er aus: Die Fahrerlaubnisentziehung sei rechtswidrig, weil schon die Anordnung der Antragsgegnerin zur Beibringung eines MPG unverhältnismäßig gewesen sei. Er habe drei Ordnungswidrigkeiten wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen. Davon hätten sich zwei Übertretungen im unteren Bereich bewegt. Es liege kein Fall eines wiederholten und erheblichen, gegen verkehrsrechtliche Vorschriften eingetretenen Verstoßes vor, der seine Kraftfahreignung in Frage stelle.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Gericht hat dem Eilantrag stattgegeben. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt: Die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung vom 03.01.2017 zu Unrecht darauf gestützt, dass der Antragsteller das angeordnete MPG zum Nachweis seiner Fahreignung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist beigebracht habe.

Denn die auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gestützte Gutachtensanforderung sei nicht rechtmäßig gewesen. Nach dieser Vorschrift könne bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften die Beibringung eines MPG zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden. Der Antragsteller habe unstreitig wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen.

Die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV stehe aber in einem Spannungsverhältnis zu § 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wonach die Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz vor den Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern ausgingen, die in § 4 Abs. 5 StVG genannten Maßnahmen (Speicherung von Punkten, Ermahnung, Verwarnung, Entziehung der Fahrerlaubnis) zu ergreifen habe.

Das Fahreignungs-Bewertungssystem beinhalte die Bewertung von Verkehrszuwiderhandlungen mit einer nach Art und Schwere der Verstöße festgelegten Punktzahl und das Ergreifen abgestufter Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Punkteschwellen. Es bezwecke eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern und solle dem Betroffenen Gelegenheit geben, aufgetretene Mängel durch Teilnahme an Fahreignungsseminaren möglichst frühzeitig zu beseitigen.

Das abgestufte System rechtfertige die Annahme, dass Personen, die acht oder mehr Punkte erreicht hätten, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen seien. Aus dem Fahreignungs-Bewertungssystem ergebe sich damit, dass der Gesetzgeber bewusst die weitere Straßenverkehrsteilnahme von Kraftfahrern mit einem nicht unerheblichen „Sündenregister“, weil mehrfach gegen Verkehrsvorschriften verstoßen worden sei, in Kauf genommen habe.

Das Ergreifen anderer Maßnahmen gegen den Fahrerlaubnisinhaber wegen Eignungszweifeln, die sich aus den im Fahreignungs-Bewertungssystem erfassten Verkehrsverstößen ergäben, sei zwar nicht ausgeschlossen. Dadurch werde im öffentlichen Interesse sichergestellt, dass ungeeignete Kraftfahrer schon vor Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wirksam ausgeschlossen oder besondere Eignungszweifel durch weitergehende Maßnahmen, wie z. B. eine medizinisch-psychologische Untersuchung, sofort geklärt werden könnten.

Allerdings müsse dies auf eng begrenzte, besonders gelagerte Ausnahmefälle beschränkt sein. Die Fahrerlaubnisbehörde müsse präzise begründen, warum sie es aus besonderen Gründen im Einzelfall, der sich erheblich vom Normalfall anderer „Punktesünder“ abheben müsse,  aufgrund einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers oder wegen der Art, der Häufigkeit oder des konkreten Hergangs der Verkehrsordnungswidrigkeiten für unerlässlich halte, die Fahreignungsbedenken sofort durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu klären, ohne dem Betroffenen die Chance zu belassen, zuvor das unter der Geltung des Fahreignungs-Bewertungssystems stark reduzierte Hilfsangebot des § 4 StVG wahrzunehmen.

Besondere und einzelfallbezogene andere Erkenntnisse, die ein Abweichen von dem Fahreignungs-Bewertungssystem im vorliegenden Fall rechtfertigen würden, habe die Antragsgegnerin in ihrer Aufforderung zur medizinisch-psychologischen Begutachtung des Antragstellers nicht aufgezeigt.

Da die Voraussetzungen für ein Abweichen von dem Bewertungssystem des § 4 StVG nicht vorlägen, greife hier das Regime des Fahreignungs-Bewertungssystems. Danach sei der Antragsteller, zu dessen Lasten im Fahreignungsregister vier Punkte eingetragen seien, schriftlich zu ermahnen und darauf hinzuweisen, dass ein Fahreignungsseminar freiwillig besucht werden könne, um das Verkehrsverhalten zu verbessern.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum  Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschl. v. 21.03.2017 – 3 L 293/17.NW

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, Pressemitteilung v. 27.03.2017

Wer ist zuständig beim Rücktritt vom Autokauf?

Wer ist zuständig beim Rücktritt vom Autokauf?

Ein Käufer, der von einem Kaufvertrag eines ihm bereits überlassenen Fahrzeugs zurücktritt, darf die Vertragsrückabwicklung regelmäßig an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht einklagen. Er ist demnach nicht verpflichtet, den Prozess beim Gericht am Wohn- oder Geschäftssitz des beklagten Verkäufers zu führen. Das hat das OLG Hamm entschieden.

Rücktritt vom Autokauf – Darum geht es:

Der klagende Käufer aus Löhne erwarb im September 2014 beim beklagten Verkäufer aus Potsdam ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Saab 900 Cabriolet zum Kaufpreis von 5650 €. Nach entsprechender Barzahlung verbrachte der Kläger das Fahrzeug nach Löhne. Hier kam ihm der Verdacht, dass der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand von 173.000 km unzutreffend sei und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufwies. Noch bevor der Kläger das Fahrzeug auf seinen Namen zuließ, erklärte er gegenüber dem Beklagten den Vertragsrücktritt und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die vom Kläger vor dem Landgericht Bielefeld erhobene Klage hatte zunächst keinen Erfolg, weil das Landgericht Bielefeld sich als örtlich unzuständig ansah. Die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil war erfolgreich.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und das Landgericht Bielefeld verpflichtet, den Rechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden. In der Hauptsache beantrage der Kläger nunmehr ihm den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen. Diesen Prozess könne der Kläger vor dem Landgericht Bielefeld durchführen. Dort sei der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben. Wenn nicht anders vereinbart, sei für diesen Gerichtsstand der Ort maßgeblich, an dem der Kaufvertrag im Falle eines zu Recht erklärten Rücktritts rückabzuwickeln sei.

Bei einem Fahrzeugkauf habe ein Käufer nach der Ausübung seines Rücktrittsrechts keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Dieser Anspruch sei vom Verkäufer vielmehr nur Zug um Zug gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs zu erfüllen. Dabei sei der Verkäufer verpflichtet, ein mangelhaftes Fahrzeug dort abzuholen, wo es sich nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsrücktritts befinde.

Das sei im vorliegenden Fall am Wohnsitz des Klägers in Löhne, weil der Kläger das Fahrzeug dort habe nutzen wollen. Dem stehe nicht entgegen, dass die nach dem Vertrag vorrangig vor einem Rücktritt vom Verkäufer geschuldete Nachbesserung an dessen Betriebs- oder Wohnsitz vorzunehmen gewesen wäre. Das Scheitern einer Nachbesserung sei ggf. eine Rücktrittsvoraussetzung und lasse sich in der Regel erst dann feststellen, wenn der Käufer das Fahrzeug im Anschluss an die Nachbesserung zurückerhalten habe. Vertragsgemäß befinde es sich dann wieder an seinem Wohnsitz.

 

OLG Hamm, Urt. v. 27.10.2015 – 28 U 91/15
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 18.11.2015

Wie geschieht die Rückabwicklung einer Pensionskürzung beim Versorgungsausgleich

Wie geschieht die Rückabwicklung einer Pensionskürzung beim Versorgungsausgleich

Verstirbt der geschiedene Ehegatte eines Beamten oder Soldaten, ohne eine eigene echtente bezogen zu haben, so kann die Kürzung der Versorgungsbezüge erst ab der Stellung eines Antrags aufgehoben werden. Eine Rückabwicklung der schon erfolgten Kürzungen bleibt auch dann ausgeschlossen, wenn der Tod des geschiedenen Ehegatten nicht bekannt war. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Pensionskürzung beim Versorgungsausgleich – Darum geht es

Bei den Klägern handelt es sich um einen Beamten und einen Soldaten, die sich seit 1993 bzw. 1994 im Ruhestand befinden. Von Beginn ihres Ruhestandes an wurden ihre Pensionsbezüge gekürzt, weil bei der vorangegangenen Scheidung im Rahmen des Versorgungsausgleichs anteilige Ansprüche auf ihre Ehegatten übertragen worden waren. Die Ehegatten verstarben im Jahr 2004 bzw. im August 2009.

Die Kläger hatten hiervon zunächst keine Kenntnis; in einem Fall war der Kontakt seit vielen Jahren vollständig abgebrochen, in dem anderen Fall war der geschiedene Ehegatte nach Australien ausgewandert und dort verstorben. Der Dienstherr hob die Kürzung der Versorgungsbezüge erst ab der Stellung entsprechender Anträge im Jahr 2010 auf. Die Kläger erstreben dagegen die weitergehende Aufhebung der Kürzung rückwirkend ab dem Beginn ihres Ruhestandes. Ihre Klagen blieben in den Vorinstanzen ohne Erfolg.

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Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das am 01.09.2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsgesetz auf die beiden Streitfälle Anwendung findet, weil die Kläger ihre Anträge erst nach diesem Datum gestellt haben. Nach den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes ist – anders als nach dem bis dahin geltenden Versorgungsausgleichshärtefallgesetz – eine rückwirkende Aufhebung der Kürzung ausgeschlossen. Dies ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, und zwar auch dann, wenn der geschiedene Ehegatte vor seinem Tode keine Rentenleistungen bezogen hat.

Der Grund hierfür liegt in dem Institut der Ehe, das auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfaltet. Mit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird das individuelle Risiko des frühen Versterbens endgültig und dauerhaft auf beide Ehegatten verteilt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 06.05.2014 – 1 BvL 9/12,1 BvL 1145/13).

Eine von den Klägern geltend gemachte Ungleichbehandlung gegenüber nicht Geschiedenen sowie gegenüber Geschiedenen, die vor dem 01.09.2009 von dem Tod des früheren Ehegatten erfahren haben, hat das Bundesverwaltungsgericht ebenso verneint wie einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.

Die sich aus der gesetzlichen Regelung mittelbar ergebende Obliegenheit, das weitere Lebensschicksal des geschiedenen Ehegatten zu verfolgen, ist auch verhältnismäßig. Aufgrund der eingegangenen Ehe steht der Beamte oder Soldat in größerer Nähe zu den maßgeblichen Umständen als der Dienstherr. Außerdem steht ihm regelmäßig ein Auskunftsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger des anderen Ehegatten zu.

 

BVerwG, Urt. v. 19.11.2015 – 2 C 20/14 und 2 C 48/13

Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 19.11.2015