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Aktuelle Urteile aus dem allgemeinen Zivilrecht

Aktuelle Urteile aus dem allgemeinen Zivilrecht

Mangel an Digitalkamera bei niedrigen Temperaturen?

Nein. Wann liegt bei einer Digitalkamera ein Sachmangel vor? Das Amtsgericht München hat entschieden, dass eine Digitalkamera, die über eine lange Zeit im Freien bei niedrigen Temperaturen benutzt wird und bei der dadurch gelegentliche Störungen auftreten, nicht ohne weiteres einen Sachmangel aufweist. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine besondere Verwendungseignung vereinbart ist. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

So entschieden: Amtsgericht München, Urt. v. 08.06.2020 – 191 C 4038/17

BGH-Grundsatzurteil: „Großer Schadensersatz“ trotz Minderung?

Nein: Kann ein Kaufvertrag noch im Wege des „großen Schadensersatzes“ vollständig rückabgewickelt werden, wenn wegen desselben Mangels zuvor der Kaufpreis gemindert wurde? Der BGH hat diese wichtige Streitfrage im Sachmängelrecht verneint. Damit haben die BGH-Richter das Verhältnis der verschiedenen Käuferrechte genauer geklärt. Im Streitfall war ein Kfz-Leasingvertrag geschlossen worden.

So entschieden: BGH, Urt. v. 09.05.2018 – VIII ZR 26/17

Autohandel: BGH stärkt Käuferrechte bei Sachmängeln

Wann darf der Käufer bei Sachmängeln eine Ersatzlieferung, wann nur Mängelbeseitigung verlangen? Der BGH hat hierzu mehrere Grundsatzfragen entschieden. So darf ein Käufer von einer von ihm gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand nehmen. Auch kann er weiterhin Nacherfüllung durch Ersatzlieferung verlangen, wenn der Mangel nachträglich ohne sein Einverständnis beseitigt wird.

So entschieden: BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17

Gesteigerte Sorgfaltspflichten von Autofahrern gegenüber Kindern?

Ja. Autofahrer haben gegenüber Kindern gesteigerte Sorgfaltspflichten. Das Amtsgericht Bad Iburg hat entschieden, dass eine Autofahrerin nach einer Kollision mit einem fahrradfahrenden Kind auch dann zu 100% haftet, wenn das Kind schon vor Erreichen eines Zebrastreifens in einem Bogen vom Gehweg auf die Straße fährt, um diese zu überqueren. Das Landgericht Osnabrück hat das Urteil bestätigt.
So entschieden: Landgericht Osnabrück, Entscheidung v. 08.10.2020 – 6 S 150/20

Amtsgericht Bad Iburg, Urt. v. 10.06.2020 – 4 C 648/19

Promillegrenze bei E-Scootern und strafrechtliche Folgen?

Für E-Scooter-Fahrer gelten strafrechtlich dieselben Promillegrenzen wie für Autofahrer. Das hat das Landgericht Osnabrück klargestellt. Demnach ist bei E-Scootern ab einem Wert von 1,1 Promille von absoluter Fahruntüchtigkeit auszugehen. Im konkreten Fall muss der E-Scooter-Fahrer neben der Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Anklage wegen Trunkenheit im Straßenverkehr rechnen.

So entschieden: Landgericht Osnabrück, Beschl. v. 16.10.2020 – 10 Qs 54/20

Neues und Wissenswertes zum Versicherungsrecht

Neues und Wissenswertes zum Versicherungsrecht

Sturz im Supermarkt nach Reinigungsarbeiten, Recht auf Schmerzensgeld?

Ja. Die Klage einer Kundin nach einem Sturz in einem Supermarkt war( teilweise) erfolgreich, weil der Supermarktbetreiber bei Reinigungsarbeiten keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen und hierdurch seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Das Landgericht Coburg gab der Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes statt. Ein Mitverschulden der Kundin nahm das Gericht nicht an.

So entschieden: Landgericht Coburg, Urt. v. 16.07.2020 – 24 O 76/18

Unfall im Geschäft: Wer muss was beweisen?

Welche Regeln gelten für die Beweislast, wenn sich ein Kunde in einem Geschäft verletzt? Das Amtsgericht Nürnberg hat für einen Möbelhausunfall entschieden, dass zunächst der Verletzte einen Mangel beweisen muss, der zur Verletzung geführt haben kann. Im Streitfall sah das Gericht aber keinen Nachweis, dass ein Schild an der Decke ohne äußeren Impuls heruntergefallen war.

So entschieden: Amtsgericht Nürnberg, Urt. v. 27.01.2020 – 240 C 4272/19

Reiserecht in Corona Zeiten – aktuell und wichtig

Reiserecht in Corona Zeiten – aktuell und wichtig

Reisestornierung: Rückzahlungsanspruch trotz Corona und Anwaltskosten?

Ja. Das Amtsgericht Frankfurt hat entschieden, dass ein Reiseveranstalter verschuldensunabhängig in Zahlungsverzug gerät, wenn er dem Kunden die gezahlten Reisekosten nicht innerhalb von 14 Tagen nach einer Corona-bedingten Stornierung zurückzahlt. Die „freiwillige Gutschein-Lösung“ darf nicht zu Lasten des Kunden gehen. Das Gericht erkannte vorgerichtliche Anwaltskosten und Verzugszinsen an.

So entschieden: Amtsgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 15.10.2020 – 32 C 2620/20 (18)

 

Corona-Pandemie: Volle Erstattung des Reisepreises bei Gesundheitsgefährdung?

Ja. Das Amtsgericht Frankfurt hat entschieden, dass ein Reiseveranstalter zur Rückzahlung des kompletten Reisepreises verpflichtet ist, wenn ein Kunde die gebuchte Reise vor Reiseantritt storniert und zu diesem Zeitpunkt bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Corona-Virus im Reisegebiet bestand. Stornierungskosten dürfen dann nicht erhoben werden.

So entschieden: Amtsgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 11.08.2020 – 32 C 2136/20 (18)

Mietnebenkosten und Mietkürzungen in der Corona-Krise

Mietnebenkosten und Mietkürzungen in der Corona-Krise

Mietnebenkosten: Baumfällkosten als umlagefähige Gartenpflege?

Ja. Das Fällen und Entsorgen abgestorbener Bäume gehört zur Gartenpflege im Mietverhältnis. Entsprechende Kosten können als Nebenkosten auf Mieter umgelegt werden. Dies gilt nach dem Landgericht München I unabhängig davon, ob eine Ersatzbepflanzung erfolgt. Demnach begründen Baumfällkosten, die im Regelfall erst nach Jahrzehnten entstehen, keine besondere Schutzwürdigkeit der Mieterseite.

So entschieden: Landgericht München I, Urt. v. 19.11.2020 – 31 S 3302/20

Corona-Krise: Kürzung der Miete wegen Ladenschließung?

Das Landgericht Frankfurt hat entschieden, dass die Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts im Zuge der Corona-Pandemie keinen Mangel darstellt und keine Mietminderung rechtfertigt. Eine Mieterin kann auch nicht wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Miete verlangen, solange sie nicht ausnahmsweise in ihrer Existenz bedroht ist.

So entschieden: Landgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 05.10.2020 – 2-15 O 23/20

Familienrecht in Corona Zeiten – aktuell & wissenswert

Familienrecht in Corona Zeiten – aktuell & wissenswert

Corona-Pandemie: Keine Eltern und Trauzeigen im Standesamt?

Ja, das kann eine Gemeinde vorgeben: Eine Gemeinde muss während der Corona-Pandemie nicht die Teilnahme von Eltern und Trauzeugen eines Brautpaars bei einer Trauung im Standesamt ermöglichen. Das hat das Verwaltungsgericht Schleswig entschieden. Der Ausschluss von Personen von der Trauung, die insoweit für die Eheschließung selbst nicht erforderlich sind, ist demnach vom Hausrecht der Gemeinde gedeckt.
So entschieden: Verwaltungsgericht Schleswig, Beschl. v. 06.11.2020 – 3 B 132/20

Muss das Jobcenter ein Tablet für eine I-Pad Klasse zahlen?

Nein. Schüler einer iPad-Klasse haben keinen Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten eines Tablets durch den Grundsicherungsträger. Das hat das LSG Niedersachsen-Bremen entschieden. Demnach obliegt die Ausstattung mit Lernmitteln dem Schulträger, der für Grundsicherungsempfänger Leihmöglichkeiten schaffen muss. Das Gericht konstatierte zudem eine Bevorzugung der Firma Apple.
So entschieden: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 06.10.2020 – L 7 AS 66/19

Hartz IV in Corona-Zeiten: Tablet als pandemiebedingter Mehrbedarf?

Ja. Der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme am pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld ist im Hartz IV-Regelbedarf nicht berücksichtigt. Nach dem Landessozialgericht NRW ist der Mehrbedarf auf 150 € zu veranschlagen. Das Gericht hat sich dabei am Preis eines Markentablets sowie dem Bedarfspaket für das digitale Klassenzimmer der Bundesregierung orientiert.
So entschieden: LSG NRW, Beschl. v. 22.05.2020 – L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B

Flugreise mit Kindern: Zustimmung des anderen Elternteils in Corona-Zeiten?

Ja. Eine Flugreise ins Ausland muss in Zeiten der Corona-Pandemie durch beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam entschieden werden, weil keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr vorliegt. Dies gilt auch, wenn keine Reisewarnung besteht. Das hat das OLG Braunschweig entschieden. Ist keine Einigung möglich, kann ggf. einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen werden.
So entschieden: OLG Braunschweig, Beschl. v. 30.07.2020 – 2 UF 88/20

Fristlose Kündigung & Dienstreisen – Neu und wissenswert

Fristlose Kündigung & Dienstreisen – Neu und wissenswert

Fristlose Kündigung: Abmahnung auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses notwendig?

Ja. Auch wenn das Arbeitsverhältnis erst 36 Tage bestanden hat und der AN nach 3 Tagen unentschuldigt fehlt, darf der AG nicht fristlos kündigen, sondern muss zuerst abmahnen.

Dies hat in jüngster Zeit das LAG Schleswig -Holstein mit Urteil vom 03.06.2020 1 Sa 72/20 entschieden.

Dienstreisen: Wann greift der Schutz der Unfallversicherung?

Beschäftigte sind auf Dienstreisen gesetzlich unfallversichert. Das gilt allerdings nicht rund um die Uhr. Die konkrete Tätigkeit auf einer Dienstreise muss – ebenso wie am Arbeitsplatz – mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhängen und diesem dienen. Das hat das Hessische Landessozialgericht entschieden und für einen Skiunfall den Versicherungsschutz abgelehnt.

So entschieden von Hessisches LSG, Urt. v. 14.08.2020 – L 9 U 188/18

Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit?

Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit?

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer muss im Regelfall nicht an einem Personalgespräch teilnehmen. Das gilt auch dann, wenn die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten geklärt werden sollen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Die Annahme eines Gesprächsangebotes kann aber ratsam sein. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einlädt.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war langfristig erkrankt. Die Arbeitgeberin lud ihn zu einem Gespräch „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ ein. Der Arbeitnehmer sagte unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Daraufhin erhielt er eine neue Einladung, die mit dem Hinweis verbunden war, dass er gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attestes nachzuweisen habe.

Da der Arbeitnehmer auch an dem zweiten Gespräch nicht teilgenommen hatte, erhielt er von seiner Arbeitgeberin eine Abmahnung. Gegen die Abmahnung klagte er und verlangte die entsprechende Entfernung aus der Personalakte. Er war der Auffassung, dass keine Verpflichtung für ihn bestanden habe, an dem Personalgespräch teilzunehmen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Dies sah das BAG genauso. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer eine Einladung des Arbeitgebers zu einem Personalgespräch Folge zu leisten. Denn der Arbeitgeber bestimmt Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung nach § 106 Satz 1 GewO, sofern dieses Direktionsrecht nicht durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, bzw. Tarifverträge oder durch das Gesetz eingeschränkt ist.

Erkrankte Arbeitnehmer müssen aber gar nicht ihrer Arbeitspflicht nachkommen, deshalb haben sie weder Hauptleistungspflichten noch Nebenleistungspflichten. Aus diesem Grund muss ein erkrankter Arbeitnehmer grundsätzlich auch keinen Weisungen Folge leisten und dementsprechend auch nicht zu einem Personalgespräch erscheinen.

Weiterhin ist es dem Arbeitgeber während einer Arbeitsunfähigkeit nicht untersagt, mit einem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung zu erörtern. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Oder anders ausgedrückt: 

Bei einem berechtigten Interesse darf der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer nachfragen, ob ein solches Gespräch geführt werden kann.

Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist dann aber trotzdem, während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage. Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber keinerlei Gründe für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens darlegen. Deshalb war die Abmahnung zu Unrecht erfolgt und musste aus der Personalakte entfernt werden.

Folgerungen aus der Entscheidung zur Arbeitsunfähigkeit

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist also in aller Regel nicht dazu verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Er muss kein Personalgespräch führen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Führen des Gesprächs aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich überhaupt nicht in der Lage ist. Allerdings dürfte die Unverzichtbarkeit nur in ausgesprochenen wenigen Fällen vorliegen. Und für den Arbeitnehmer wird in aller Regel eine ärztliche Bescheinigung als Beweis genügen, dass er nicht in der Lage ist, an dem Gespräch teilzunehmen. Das könnte dann wichtig sein, wenn der Arbeitnehmer nicht den klassischen Beinbruch erlitten hat, sondern aufgrund von Burnout oder Mobbingvorfällen nicht mehr zur Arbeit gehen kann. 

Praxishinweis

Trotzdem ist das generelle Ablehnen eines jeglichen Gesprächs nicht immer die geschickteste Lösung, dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement einlädt.

BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 506/15

Mündliche Vereinbarung über Auszugstermin

Mündliche Vereinbarung über Auszugstermin

Auch in einer nur mündlich geschlossenen – dennoch nachweisbaren – Vereinbarung über einen Auszugstermin um sich einen Mieter festhalten zu lassen. Das hat das Amtsgericht München, nach der Befragung von Zeugen, über eine Besprechung entschieden, bei welcher die Mietparteien die Beendigung bzw. den Wunsch nach Fortsetzung des Mietverhältnisses diskutiert haben. 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Witwe eines früheren Mitarbeiters und deren zwei längst erwachsenen Kindern Herausgabe eines 7-Zimmer umfassenden Reihenhauses, mit gut 120qm Wohnfläche, das direkt neben dem früheren Arbeitsplatz liegt, um dieses seinen Nachfolgern und dessen Familie als neue Dienstwohnung zur Verfügung stellen zu können.

Das Haus war seit 1977 an die Eheleute, zuletzt warm für 973,59 €, vermietet worden. Der Mietvertrag war ursprünglich auf die Dienstzeit des Ehemannes befristet und dann im Hinblick auf das Dienstende der Ehefrau, die ebenfalls bis Ende Mai 2015 für die Klägerin arbeitete, bis zu diesem Zeitpunkt verlängert worden. Für die Ersatzmietwohnung des Dienstnachfolgers zahlt die Mieterin monatlich 611,50 € mehr an Miete. 

Ende April 2015 kam es zu einer Besprechung der Parteien, bei welcher die Beendigung bzw. der Wunsch nach Fortsetzung des Mietverhältnisses diskutiert worden ist. Die Klägerin wurde dabei von den beiden Zeugen vertreten. Die drei Beklagten wurden bei dem Gespräch von der weiteren Tochter der Beklagten begleitet und unterstützt. Zwischen den Parteien ist ein Mietaufhebungsvertrag mit endgültigem Auszugstermin zum 31.05.2016 geschlossen worden. Alle Zeugen erinnern den Abend als sehr tränenreich. Die Zeugen der Klägerin schilderten, dass eine solche Vereinbarung schlussendlich per Handschlag geschlossen worden sei. Die Zeugin der Beklagten gab an, dass man ursprünglich geglaubt habe, nach über 40 Jahren Mietzeit bis zum Lebensende der Mutter oder jedenfalls mit einer sehr langen Kündigungsfrist in dem Haus bleiben zu können.

An einem genau vereinbarten Termin, wie aber auch an den genauen Inhalt des Gespräches, könne sie sich nicht mehr erinnern. Eine schriftliche Bestätigung der Betroffenen Regelung haben sie dann im Glauben unterzeichnet, da es sich lediglich um eine Empfangsbestätigung für das zugesandte Schreiben handelte. 

Entscheidungsgründe

Das Amtsgericht gab der Klage der Vermieterin auf Räumung der Dienstwohnung statt und gewährte eine gut dreimonatige Räumungsfrist. Der zuständige Richter glaubte den Aussagen der Zeugin der Klägerin und gab ihr Recht. 

Es steht zum Ende der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes ohne Zweifel fest, dass die Parteien anlässlich der persönlichen Besprechung vom 29.04.2015 eine verbindliche Vereinbarung, die alle wesentlichen Vertragspunkte enthält, darüber geschlossen haben, dass die Beklagte spätestens am 31.05.2016 ohne weiteren Aufschub aus dem streitgegenständlichem Einfamilienhaus auszuziehen und dieses geräumt an die Klägerin zurückzugeben hat. 

Eine würdigende Gesamtschuld des Gerichts hinsichtlich das Prozessverhaltens der Beklagten und ihrer Familienmitglieder, welches sich aus dem unmittelbaren Impressionen der Güte- und der Hauptverhandlung speist, lässt nicht auch nur den geringsten Zweifel, dass zwischen den Parteien die streitige Vereinbarung geschlossen worden ist und die Beklagten diese für die nun nachteilige und unangenehme Tatsache einer gewissen Art von Verdrängung über antwortet und sich gegenüber der Klägerin auf eine recht wirklichkeitsferne Erwartungshaltung versteift haben. Das Urteil ist, nachdem die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde, rechtskräftig.

Amtsgericht München, Urteil vom 14.11.2017 – 473 C 13483/17

Gewinnspiel-Anrufe: Droht jetzt die Kündigung?

Gewinnspiel-Anrufe: Droht jetzt die Kündigung?

Private Anrufe vom Arbeitsplatz, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen, rechtfertigen nicht unbedingt eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden. Der Arbeitgeber, der im Grundsatz private Anrufe seiner Mitarbeiter, ohne Kostenausgleich gestattet – eine spezielle Regelung für „Sonderrufnummern“ war allerdings nicht getroffen worden.

Sachverhalt zu Gewinnspiel-Anrufen:

Die Klägerin war seit dem 01.02.2014 bei der Beklagten, einem kleinen Betrieb, als Bürokauffrau tätig. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten u. a. die Kontrolle der eingehenden Rechnungen und das Einscannen derselben. Überweisung durfte sie nicht vornehmen. Den Mitarbeitern der Beklagten war es gestattet, über die Telefonanlage der Beklagten private Anrufe zu tätigen, ohne diese zu bezahlen.

Der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern war weder ausdrücklich genehmigt, noch ausdrücklich untersagt. Im Januar 2015 hatte die Klägerin in den Arbeitspausen mehrere Anrufe bei der Hotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen des Gewinnspieles „das geheimnisvolle Geräusch“ getätigt. Jeder Anruf kostete 0,50 €. Die Telefonrechnung für Januar 2015 mit 37 Einheiten für Sonderrufnummern scannte die Klägerin ein, ohne auf die von ihr getätigten Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen.

Da die Rechnung per Lastschrift eingezogen wurde, bedurfte es keiner Überweisung durch die Beklagte. Nachdem dem Geschäftsführer die 37 Einheiten aufgefallen waren, sprach er die Klägerin darauf an. Sie antwortete, dass aufgrund der Einzelverbindungsnachweise, herauszufinden sein müsse, wer angerufen habe. Am nächsten Morgen räumte die Klägerin die Anrufe bei der Gewinnspielhotline ein und bot an, einen Betrag von 18,50 € zu erstatten. Drei Tage später, am 23.02.2015 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht. 

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Ebenso wie das Arbeitsgericht Wesel, hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die fristlose Kündigung der Klägerin für unwirksam erachtet. Es liegt zwar eine Pflichtverletzung vor. Aber wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet ist, ist es pflichtwidrig, diese Gestattung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen.

Die Pflichtverletzung hatte zur Überzeugung der Kammer in diesem Fall aber nicht das Gewicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass bei der Beklagten der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt war, minderte den Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerin. Zu berücksichtigen war weiter, dass die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgten, sodass nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen war.

Die Beklagte hatte zudem weder vor dem Arbeitsgericht noch vor der erkennenden Kammer, trotz des Bestreitens der Klägerin, die genaue Anzahl der ihr zuzurechnenden Anrufe ausreichend dargelegt. 

Die ordentliche Kündigung der Klägerin stand nicht im Streit und war von ihr auch nicht mehr angegriffen. 

LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2015 – 12 Sa 630/15

Krankengeld bei verspäteter Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Krankengeld bei verspäteter Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Grundsätzlich muss der Versicherte selbst für die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit (AU) bei der Krankenkasse sorgen. Sofern der Arzt die Bescheinigung der AU aber dem Versicherten nicht aushändigt, muss die Krankenkasse auch dann Krankengeld an den Versicherten zahlen, wenn die Bescheinigung zu spät bei ihr eingeht. Das hat das Sozialgericht Detmold entschieden.

Der Sachverhalt

Dies entschied das Sozialgericht Detmold im Falle einer 1957 geborenen Klägerin, die auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums krankgeschrieben war. Sie hatte sich rechtzeitig zu ihrem Hausarzt begeben, um die AU attestieren zu lassen. Der Arzt händigte das Formular, das für den Versicherten zur Vorlage bei seiner Krankenkasse bestimmt ist, aber nicht aus, sondern veranlasste die Versendung an die Krankenkasse selbst. 

Unter anderem hierfür hatte er zuvor von der Krankenkasse Freiumschläge zur Verfügung gestellt bekommen. Als die Bescheinigung erst nach Ablauf der einwöchigen Meldefrist bei der Beklagten einging, verweigerte diese die Zahlung vom Krankengeld für die Zeit bis zur Vorlage der Bescheinigung. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Zu Unrecht, entschied das Sozialgericht. Zwar muss der Versicherte grundsätzlich selbst für die rechtzeitige Meldung der AU sorgen. Von dieser Obliegenheitsverpflichtung gibt es jedoch Ausnahmen.

Eine Ausnahme ergibt sich aus dem Gesetz über die Entgeltfortzahlung, da der Arzt danach verpflichtet ist, die AU der Krankenkasse zu melden. Treten Verzögerungen bei der Übermittlung der AU-Bescheinigung auf, muss sich die Krankenkasse diese zurechnen lassen.

Nach Auffassung der Richter greift diese Rechtsfolge auch dann ein, wenn der Arzt nach Ablauf der Entgeltfortzahlung ungefragt den Teil des Vordrucks der AU-Bescheinigung, der zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmt ist, nicht dem Versicherten aushändigt, sondern die Weiterleitung selbst übernimmt.

Die Klägerin hatte nämlich keine Möglichkeit, für den rechtzeitigen Zugang der Meldung zu sorgen. Sie war insbesondere nicht verpflichtet, die Krankenkasse über das Fortbestehen der AU auf andere Weise zu informieren. Sie durfte sich vielmehr darauf verlassen, dass der Arzt für eine rechtzeitige Übermittlung sorgt.

Die Kammer wertete dabei den Umstand, dass die Krankenkasse der Arztpraxis Freiumschläge zur Verfügung stellt, als Hinweis für die berechtigte Nutzung dieses Übermittlungsweges. Der Arzt handelte daher innerhalb seiner berufsrechtlichen Befugnis als Vertragsarzt.

Dann überwiegt das Risiko für den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass der für den Versicherten vorgesehene Vordruck den Hinweis enthält, dass eine verspätete Meldung zum Ausschluß von Krankengeld führen kann.

Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. 

Sozialgericht Detmold, Urteil vom 15.11.2017 – S 5 KR 266/17