Month: August 2018

Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit?

Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit?

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer muss im Regelfall nicht an einem Personalgespräch teilnehmen. Das gilt auch dann, wenn die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten geklärt werden sollen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Die Annahme eines Gesprächsangebotes kann aber ratsam sein. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einlädt.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war langfristig erkrankt. Die Arbeitgeberin lud ihn zu einem Gespräch „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ ein. Der Arbeitnehmer sagte unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Daraufhin erhielt er eine neue Einladung, die mit dem Hinweis verbunden war, dass er gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attestes nachzuweisen habe.

Da der Arbeitnehmer auch an dem zweiten Gespräch nicht teilgenommen hatte, erhielt er von seiner Arbeitgeberin eine Abmahnung. Gegen die Abmahnung klagte er und verlangte die entsprechende Entfernung aus der Personalakte. Er war der Auffassung, dass keine Verpflichtung für ihn bestanden habe, an dem Personalgespräch teilzunehmen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Dies sah das BAG genauso. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer eine Einladung des Arbeitgebers zu einem Personalgespräch Folge zu leisten. Denn der Arbeitgeber bestimmt Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung nach § 106 Satz 1 GewO, sofern dieses Direktionsrecht nicht durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, bzw. Tarifverträge oder durch das Gesetz eingeschränkt ist.

Erkrankte Arbeitnehmer müssen aber gar nicht ihrer Arbeitspflicht nachkommen, deshalb haben sie weder Hauptleistungspflichten noch Nebenleistungspflichten. Aus diesem Grund muss ein erkrankter Arbeitnehmer grundsätzlich auch keinen Weisungen Folge leisten und dementsprechend auch nicht zu einem Personalgespräch erscheinen.

Weiterhin ist es dem Arbeitgeber während einer Arbeitsunfähigkeit nicht untersagt, mit einem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung zu erörtern. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Oder anders ausgedrückt: 

Bei einem berechtigten Interesse darf der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer nachfragen, ob ein solches Gespräch geführt werden kann.

Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist dann aber trotzdem, während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage. Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber keinerlei Gründe für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens darlegen. Deshalb war die Abmahnung zu Unrecht erfolgt und musste aus der Personalakte entfernt werden.

Folgerungen aus der Entscheidung zur Arbeitsunfähigkeit

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist also in aller Regel nicht dazu verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Er muss kein Personalgespräch führen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Führen des Gesprächs aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich überhaupt nicht in der Lage ist. Allerdings dürfte die Unverzichtbarkeit nur in ausgesprochenen wenigen Fällen vorliegen. Und für den Arbeitnehmer wird in aller Regel eine ärztliche Bescheinigung als Beweis genügen, dass er nicht in der Lage ist, an dem Gespräch teilzunehmen. Das könnte dann wichtig sein, wenn der Arbeitnehmer nicht den klassischen Beinbruch erlitten hat, sondern aufgrund von Burnout oder Mobbingvorfällen nicht mehr zur Arbeit gehen kann. 

Praxishinweis

Trotzdem ist das generelle Ablehnen eines jeglichen Gesprächs nicht immer die geschickteste Lösung, dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement einlädt.

BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 506/15

Mündliche Vereinbarung über Auszugstermin

Mündliche Vereinbarung über Auszugstermin

Auch in einer nur mündlich geschlossenen – dennoch nachweisbaren – Vereinbarung über einen Auszugstermin um sich einen Mieter festhalten zu lassen. Das hat das Amtsgericht München, nach der Befragung von Zeugen, über eine Besprechung entschieden, bei welcher die Mietparteien die Beendigung bzw. den Wunsch nach Fortsetzung des Mietverhältnisses diskutiert haben. 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Witwe eines früheren Mitarbeiters und deren zwei längst erwachsenen Kindern Herausgabe eines 7-Zimmer umfassenden Reihenhauses, mit gut 120qm Wohnfläche, das direkt neben dem früheren Arbeitsplatz liegt, um dieses seinen Nachfolgern und dessen Familie als neue Dienstwohnung zur Verfügung stellen zu können.

Das Haus war seit 1977 an die Eheleute, zuletzt warm für 973,59 €, vermietet worden. Der Mietvertrag war ursprünglich auf die Dienstzeit des Ehemannes befristet und dann im Hinblick auf das Dienstende der Ehefrau, die ebenfalls bis Ende Mai 2015 für die Klägerin arbeitete, bis zu diesem Zeitpunkt verlängert worden. Für die Ersatzmietwohnung des Dienstnachfolgers zahlt die Mieterin monatlich 611,50 € mehr an Miete. 

Ende April 2015 kam es zu einer Besprechung der Parteien, bei welcher die Beendigung bzw. der Wunsch nach Fortsetzung des Mietverhältnisses diskutiert worden ist. Die Klägerin wurde dabei von den beiden Zeugen vertreten. Die drei Beklagten wurden bei dem Gespräch von der weiteren Tochter der Beklagten begleitet und unterstützt. Zwischen den Parteien ist ein Mietaufhebungsvertrag mit endgültigem Auszugstermin zum 31.05.2016 geschlossen worden. Alle Zeugen erinnern den Abend als sehr tränenreich. Die Zeugen der Klägerin schilderten, dass eine solche Vereinbarung schlussendlich per Handschlag geschlossen worden sei. Die Zeugin der Beklagten gab an, dass man ursprünglich geglaubt habe, nach über 40 Jahren Mietzeit bis zum Lebensende der Mutter oder jedenfalls mit einer sehr langen Kündigungsfrist in dem Haus bleiben zu können.

An einem genau vereinbarten Termin, wie aber auch an den genauen Inhalt des Gespräches, könne sie sich nicht mehr erinnern. Eine schriftliche Bestätigung der Betroffenen Regelung haben sie dann im Glauben unterzeichnet, da es sich lediglich um eine Empfangsbestätigung für das zugesandte Schreiben handelte. 

Entscheidungsgründe

Das Amtsgericht gab der Klage der Vermieterin auf Räumung der Dienstwohnung statt und gewährte eine gut dreimonatige Räumungsfrist. Der zuständige Richter glaubte den Aussagen der Zeugin der Klägerin und gab ihr Recht. 

Es steht zum Ende der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes ohne Zweifel fest, dass die Parteien anlässlich der persönlichen Besprechung vom 29.04.2015 eine verbindliche Vereinbarung, die alle wesentlichen Vertragspunkte enthält, darüber geschlossen haben, dass die Beklagte spätestens am 31.05.2016 ohne weiteren Aufschub aus dem streitgegenständlichem Einfamilienhaus auszuziehen und dieses geräumt an die Klägerin zurückzugeben hat. 

Eine würdigende Gesamtschuld des Gerichts hinsichtlich das Prozessverhaltens der Beklagten und ihrer Familienmitglieder, welches sich aus dem unmittelbaren Impressionen der Güte- und der Hauptverhandlung speist, lässt nicht auch nur den geringsten Zweifel, dass zwischen den Parteien die streitige Vereinbarung geschlossen worden ist und die Beklagten diese für die nun nachteilige und unangenehme Tatsache einer gewissen Art von Verdrängung über antwortet und sich gegenüber der Klägerin auf eine recht wirklichkeitsferne Erwartungshaltung versteift haben. Das Urteil ist, nachdem die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde, rechtskräftig.

Amtsgericht München, Urteil vom 14.11.2017 – 473 C 13483/17

Gewinnspiel-Anrufe: Droht jetzt die Kündigung?

Gewinnspiel-Anrufe: Droht jetzt die Kündigung?

Private Anrufe vom Arbeitsplatz, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen, rechtfertigen nicht unbedingt eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden. Der Arbeitgeber, der im Grundsatz private Anrufe seiner Mitarbeiter, ohne Kostenausgleich gestattet – eine spezielle Regelung für „Sonderrufnummern“ war allerdings nicht getroffen worden.

Sachverhalt zu Gewinnspiel-Anrufen:

Die Klägerin war seit dem 01.02.2014 bei der Beklagten, einem kleinen Betrieb, als Bürokauffrau tätig. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten u. a. die Kontrolle der eingehenden Rechnungen und das Einscannen derselben. Überweisung durfte sie nicht vornehmen. Den Mitarbeitern der Beklagten war es gestattet, über die Telefonanlage der Beklagten private Anrufe zu tätigen, ohne diese zu bezahlen.

Der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern war weder ausdrücklich genehmigt, noch ausdrücklich untersagt. Im Januar 2015 hatte die Klägerin in den Arbeitspausen mehrere Anrufe bei der Hotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen des Gewinnspieles „das geheimnisvolle Geräusch“ getätigt. Jeder Anruf kostete 0,50 €. Die Telefonrechnung für Januar 2015 mit 37 Einheiten für Sonderrufnummern scannte die Klägerin ein, ohne auf die von ihr getätigten Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen.

Da die Rechnung per Lastschrift eingezogen wurde, bedurfte es keiner Überweisung durch die Beklagte. Nachdem dem Geschäftsführer die 37 Einheiten aufgefallen waren, sprach er die Klägerin darauf an. Sie antwortete, dass aufgrund der Einzelverbindungsnachweise, herauszufinden sein müsse, wer angerufen habe. Am nächsten Morgen räumte die Klägerin die Anrufe bei der Gewinnspielhotline ein und bot an, einen Betrag von 18,50 € zu erstatten. Drei Tage später, am 23.02.2015 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht. 

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Ebenso wie das Arbeitsgericht Wesel, hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die fristlose Kündigung der Klägerin für unwirksam erachtet. Es liegt zwar eine Pflichtverletzung vor. Aber wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet ist, ist es pflichtwidrig, diese Gestattung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen.

Die Pflichtverletzung hatte zur Überzeugung der Kammer in diesem Fall aber nicht das Gewicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass bei der Beklagten der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt war, minderte den Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerin. Zu berücksichtigen war weiter, dass die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgten, sodass nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen war.

Die Beklagte hatte zudem weder vor dem Arbeitsgericht noch vor der erkennenden Kammer, trotz des Bestreitens der Klägerin, die genaue Anzahl der ihr zuzurechnenden Anrufe ausreichend dargelegt. 

Die ordentliche Kündigung der Klägerin stand nicht im Streit und war von ihr auch nicht mehr angegriffen. 

LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2015 – 12 Sa 630/15