Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer muss im Regelfall nicht an einem Personalgespräch teilnehmen. Das gilt auch dann, wenn die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten geklärt werden sollen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Die Annahme eines Gesprächsangebotes kann aber ratsam sein. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einlädt.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer war langfristig erkrankt. Die Arbeitgeberin lud ihn zu einem Gespräch „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ ein. Der Arbeitnehmer sagte unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Daraufhin erhielt er eine neue Einladung, die mit dem Hinweis verbunden war, dass er gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attestes nachzuweisen habe.
Da der Arbeitnehmer auch an dem zweiten Gespräch nicht teilgenommen hatte, erhielt er von seiner Arbeitgeberin eine Abmahnung. Gegen die Abmahnung klagte er und verlangte die entsprechende Entfernung aus der Personalakte. Er war der Auffassung, dass keine Verpflichtung für ihn bestanden habe, an dem Personalgespräch teilzunehmen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Dies sah das BAG genauso. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer eine Einladung des Arbeitgebers zu einem Personalgespräch Folge zu leisten. Denn der Arbeitgeber bestimmt Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung nach § 106 Satz 1 GewO, sofern dieses Direktionsrecht nicht durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, bzw. Tarifverträge oder durch das Gesetz eingeschränkt ist.
Erkrankte Arbeitnehmer müssen aber gar nicht ihrer Arbeitspflicht nachkommen, deshalb haben sie weder Hauptleistungspflichten noch Nebenleistungspflichten. Aus diesem Grund muss ein erkrankter Arbeitnehmer grundsätzlich auch keinen Weisungen Folge leisten und dementsprechend auch nicht zu einem Personalgespräch erscheinen.
Weiterhin ist es dem Arbeitgeber während einer Arbeitsunfähigkeit nicht untersagt, mit einem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung zu erörtern. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Oder anders ausgedrückt:
Bei einem berechtigten Interesse darf der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer nachfragen, ob ein solches Gespräch geführt werden kann.
Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist dann aber trotzdem, während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage. Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber keinerlei Gründe für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens darlegen. Deshalb war die Abmahnung zu Unrecht erfolgt und musste aus der Personalakte entfernt werden.
Folgerungen aus der Entscheidung zur Arbeitsunfähigkeit
Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist also in aller Regel nicht dazu verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Er muss kein Personalgespräch führen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Führen des Gesprächs aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich überhaupt nicht in der Lage ist. Allerdings dürfte die Unverzichtbarkeit nur in ausgesprochenen wenigen Fällen vorliegen. Und für den Arbeitnehmer wird in aller Regel eine ärztliche Bescheinigung als Beweis genügen, dass er nicht in der Lage ist, an dem Gespräch teilzunehmen. Das könnte dann wichtig sein, wenn der Arbeitnehmer nicht den klassischen Beinbruch erlitten hat, sondern aufgrund von Burnout oder Mobbingvorfällen nicht mehr zur Arbeit gehen kann.
Praxishinweis
Trotzdem ist das generelle Ablehnen eines jeglichen Gesprächs nicht immer die geschickteste Lösung, dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement einlädt.
BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 506/15