Arbeitssrecht

Fristlose Kündigung & Dienstreisen – Neu und wissenswert

Fristlose Kündigung & Dienstreisen – Neu und wissenswert

Fristlose Kündigung: Abmahnung auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses notwendig?

Ja. Auch wenn das Arbeitsverhältnis erst 36 Tage bestanden hat und der AN nach 3 Tagen unentschuldigt fehlt, darf der AG nicht fristlos kündigen, sondern muss zuerst abmahnen.

Dies hat in jüngster Zeit das LAG Schleswig -Holstein mit Urteil vom 03.06.2020 1 Sa 72/20 entschieden.

Dienstreisen: Wann greift der Schutz der Unfallversicherung?

Beschäftigte sind auf Dienstreisen gesetzlich unfallversichert. Das gilt allerdings nicht rund um die Uhr. Die konkrete Tätigkeit auf einer Dienstreise muss – ebenso wie am Arbeitsplatz – mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhängen und diesem dienen. Das hat das Hessische Landessozialgericht entschieden und für einen Skiunfall den Versicherungsschutz abgelehnt.

So entschieden von Hessisches LSG, Urt. v. 14.08.2020 – L 9 U 188/18

Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit?

Personalgespräche bei Arbeitsunfähigkeit?

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer muss im Regelfall nicht an einem Personalgespräch teilnehmen. Das gilt auch dann, wenn die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten geklärt werden sollen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Die Annahme eines Gesprächsangebotes kann aber ratsam sein. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einlädt.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war langfristig erkrankt. Die Arbeitgeberin lud ihn zu einem Gespräch „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ ein. Der Arbeitnehmer sagte unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Daraufhin erhielt er eine neue Einladung, die mit dem Hinweis verbunden war, dass er gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attestes nachzuweisen habe.

Da der Arbeitnehmer auch an dem zweiten Gespräch nicht teilgenommen hatte, erhielt er von seiner Arbeitgeberin eine Abmahnung. Gegen die Abmahnung klagte er und verlangte die entsprechende Entfernung aus der Personalakte. Er war der Auffassung, dass keine Verpflichtung für ihn bestanden habe, an dem Personalgespräch teilzunehmen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Dies sah das BAG genauso. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer eine Einladung des Arbeitgebers zu einem Personalgespräch Folge zu leisten. Denn der Arbeitgeber bestimmt Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung nach § 106 Satz 1 GewO, sofern dieses Direktionsrecht nicht durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, bzw. Tarifverträge oder durch das Gesetz eingeschränkt ist.

Erkrankte Arbeitnehmer müssen aber gar nicht ihrer Arbeitspflicht nachkommen, deshalb haben sie weder Hauptleistungspflichten noch Nebenleistungspflichten. Aus diesem Grund muss ein erkrankter Arbeitnehmer grundsätzlich auch keinen Weisungen Folge leisten und dementsprechend auch nicht zu einem Personalgespräch erscheinen.

Weiterhin ist es dem Arbeitgeber während einer Arbeitsunfähigkeit nicht untersagt, mit einem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung zu erörtern. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Oder anders ausgedrückt: 

Bei einem berechtigten Interesse darf der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer nachfragen, ob ein solches Gespräch geführt werden kann.

Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist dann aber trotzdem, während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage. Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber keinerlei Gründe für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens darlegen. Deshalb war die Abmahnung zu Unrecht erfolgt und musste aus der Personalakte entfernt werden.

Folgerungen aus der Entscheidung zur Arbeitsunfähigkeit

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist also in aller Regel nicht dazu verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen. Er muss kein Personalgespräch führen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Führen des Gesprächs aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich überhaupt nicht in der Lage ist. Allerdings dürfte die Unverzichtbarkeit nur in ausgesprochenen wenigen Fällen vorliegen. Und für den Arbeitnehmer wird in aller Regel eine ärztliche Bescheinigung als Beweis genügen, dass er nicht in der Lage ist, an dem Gespräch teilzunehmen. Das könnte dann wichtig sein, wenn der Arbeitnehmer nicht den klassischen Beinbruch erlitten hat, sondern aufgrund von Burnout oder Mobbingvorfällen nicht mehr zur Arbeit gehen kann. 

Praxishinweis

Trotzdem ist das generelle Ablehnen eines jeglichen Gesprächs nicht immer die geschickteste Lösung, dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement einlädt.

BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 506/15

Gewinnspiel-Anrufe: Droht jetzt die Kündigung?

Gewinnspiel-Anrufe: Droht jetzt die Kündigung?

Private Anrufe vom Arbeitsplatz, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen, rechtfertigen nicht unbedingt eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden. Der Arbeitgeber, der im Grundsatz private Anrufe seiner Mitarbeiter, ohne Kostenausgleich gestattet – eine spezielle Regelung für „Sonderrufnummern“ war allerdings nicht getroffen worden.

Sachverhalt zu Gewinnspiel-Anrufen:

Die Klägerin war seit dem 01.02.2014 bei der Beklagten, einem kleinen Betrieb, als Bürokauffrau tätig. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten u. a. die Kontrolle der eingehenden Rechnungen und das Einscannen derselben. Überweisung durfte sie nicht vornehmen. Den Mitarbeitern der Beklagten war es gestattet, über die Telefonanlage der Beklagten private Anrufe zu tätigen, ohne diese zu bezahlen.

Der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern war weder ausdrücklich genehmigt, noch ausdrücklich untersagt. Im Januar 2015 hatte die Klägerin in den Arbeitspausen mehrere Anrufe bei der Hotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen des Gewinnspieles „das geheimnisvolle Geräusch“ getätigt. Jeder Anruf kostete 0,50 €. Die Telefonrechnung für Januar 2015 mit 37 Einheiten für Sonderrufnummern scannte die Klägerin ein, ohne auf die von ihr getätigten Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen.

Da die Rechnung per Lastschrift eingezogen wurde, bedurfte es keiner Überweisung durch die Beklagte. Nachdem dem Geschäftsführer die 37 Einheiten aufgefallen waren, sprach er die Klägerin darauf an. Sie antwortete, dass aufgrund der Einzelverbindungsnachweise, herauszufinden sein müsse, wer angerufen habe. Am nächsten Morgen räumte die Klägerin die Anrufe bei der Gewinnspielhotline ein und bot an, einen Betrag von 18,50 € zu erstatten. Drei Tage später, am 23.02.2015 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht. 

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Ebenso wie das Arbeitsgericht Wesel, hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die fristlose Kündigung der Klägerin für unwirksam erachtet. Es liegt zwar eine Pflichtverletzung vor. Aber wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet ist, ist es pflichtwidrig, diese Gestattung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen.

Die Pflichtverletzung hatte zur Überzeugung der Kammer in diesem Fall aber nicht das Gewicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass bei der Beklagten der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt war, minderte den Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerin. Zu berücksichtigen war weiter, dass die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgten, sodass nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen war.

Die Beklagte hatte zudem weder vor dem Arbeitsgericht noch vor der erkennenden Kammer, trotz des Bestreitens der Klägerin, die genaue Anzahl der ihr zuzurechnenden Anrufe ausreichend dargelegt. 

Die ordentliche Kündigung der Klägerin stand nicht im Streit und war von ihr auch nicht mehr angegriffen. 

LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2015 – 12 Sa 630/15

Krankengeld bei verspäteter Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Krankengeld bei verspäteter Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Grundsätzlich muss der Versicherte selbst für die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit (AU) bei der Krankenkasse sorgen. Sofern der Arzt die Bescheinigung der AU aber dem Versicherten nicht aushändigt, muss die Krankenkasse auch dann Krankengeld an den Versicherten zahlen, wenn die Bescheinigung zu spät bei ihr eingeht. Das hat das Sozialgericht Detmold entschieden.

Der Sachverhalt

Dies entschied das Sozialgericht Detmold im Falle einer 1957 geborenen Klägerin, die auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums krankgeschrieben war. Sie hatte sich rechtzeitig zu ihrem Hausarzt begeben, um die AU attestieren zu lassen. Der Arzt händigte das Formular, das für den Versicherten zur Vorlage bei seiner Krankenkasse bestimmt ist, aber nicht aus, sondern veranlasste die Versendung an die Krankenkasse selbst. 

Unter anderem hierfür hatte er zuvor von der Krankenkasse Freiumschläge zur Verfügung gestellt bekommen. Als die Bescheinigung erst nach Ablauf der einwöchigen Meldefrist bei der Beklagten einging, verweigerte diese die Zahlung vom Krankengeld für die Zeit bis zur Vorlage der Bescheinigung. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Zu Unrecht, entschied das Sozialgericht. Zwar muss der Versicherte grundsätzlich selbst für die rechtzeitige Meldung der AU sorgen. Von dieser Obliegenheitsverpflichtung gibt es jedoch Ausnahmen.

Eine Ausnahme ergibt sich aus dem Gesetz über die Entgeltfortzahlung, da der Arzt danach verpflichtet ist, die AU der Krankenkasse zu melden. Treten Verzögerungen bei der Übermittlung der AU-Bescheinigung auf, muss sich die Krankenkasse diese zurechnen lassen.

Nach Auffassung der Richter greift diese Rechtsfolge auch dann ein, wenn der Arzt nach Ablauf der Entgeltfortzahlung ungefragt den Teil des Vordrucks der AU-Bescheinigung, der zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmt ist, nicht dem Versicherten aushändigt, sondern die Weiterleitung selbst übernimmt.

Die Klägerin hatte nämlich keine Möglichkeit, für den rechtzeitigen Zugang der Meldung zu sorgen. Sie war insbesondere nicht verpflichtet, die Krankenkasse über das Fortbestehen der AU auf andere Weise zu informieren. Sie durfte sich vielmehr darauf verlassen, dass der Arzt für eine rechtzeitige Übermittlung sorgt.

Die Kammer wertete dabei den Umstand, dass die Krankenkasse der Arztpraxis Freiumschläge zur Verfügung stellt, als Hinweis für die berechtigte Nutzung dieses Übermittlungsweges. Der Arzt handelte daher innerhalb seiner berufsrechtlichen Befugnis als Vertragsarzt.

Dann überwiegt das Risiko für den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass der für den Versicherten vorgesehene Vordruck den Hinweis enthält, dass eine verspätete Meldung zum Ausschluß von Krankengeld führen kann.

Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. 

Sozialgericht Detmold, Urteil vom 15.11.2017 – S 5 KR 266/17

Arbeitszeitbetrug erlaubt eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung

Arbeitszeitbetrug erlaubt eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung

..so entschied kürzlich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 09.08.2017 unter dem Aktenzeichen Sa 12/17).

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde

Ein Arbeitgeber hat seinen Mitarbeiter ordentlich (also fristgerecht) gekündigt, als er feststellte, dass der Mitarbeiter in seine monatlichen Stundenlisten, in die er selbst die Arbeitszeiten eingetragen hat, überhaupt nicht gearbeitet hat. Eine vorherige Abmahnung hat der Arbeitgeber nicht ausgesprochen. Nach der Kündigung klagte der Arbeitnehmer beim zuständigen Arbeitsgericht und im Laufe des Verfahrens machte er eine Abfindung in Höhe von mindestens 25.000,00 € geltend.

In der ersten Instanz entschied das Arbeitsgericht, dass der Mitarbeiter in erheblicher Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat und zwar weil er im EDV System falsche Arbeitszeiten eingetragen hatte. In der zweiten Instanz musste sich das Landesarbeitsgericht mit dem Fall beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Der Arbeitszeitbetrug sei durch Zeugen belegt, somit sei die Kündigung des Arbeitgebers rechtmäßig gewesen.

Da es sich bei der Fälschung der Arbeitszeiten um einen schweren Vertrauensbruch handeln würde, sei auch keine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen.