Familienrecht

Familienrecht in Corona Zeiten – aktuell & wissenswert

Familienrecht in Corona Zeiten – aktuell & wissenswert

Corona-Pandemie: Keine Eltern und Trauzeigen im Standesamt?

Ja, das kann eine Gemeinde vorgeben: Eine Gemeinde muss während der Corona-Pandemie nicht die Teilnahme von Eltern und Trauzeugen eines Brautpaars bei einer Trauung im Standesamt ermöglichen. Das hat das Verwaltungsgericht Schleswig entschieden. Der Ausschluss von Personen von der Trauung, die insoweit für die Eheschließung selbst nicht erforderlich sind, ist demnach vom Hausrecht der Gemeinde gedeckt.
So entschieden: Verwaltungsgericht Schleswig, Beschl. v. 06.11.2020 – 3 B 132/20

Muss das Jobcenter ein Tablet für eine I-Pad Klasse zahlen?

Nein. Schüler einer iPad-Klasse haben keinen Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten eines Tablets durch den Grundsicherungsträger. Das hat das LSG Niedersachsen-Bremen entschieden. Demnach obliegt die Ausstattung mit Lernmitteln dem Schulträger, der für Grundsicherungsempfänger Leihmöglichkeiten schaffen muss. Das Gericht konstatierte zudem eine Bevorzugung der Firma Apple.
So entschieden: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 06.10.2020 – L 7 AS 66/19

Hartz IV in Corona-Zeiten: Tablet als pandemiebedingter Mehrbedarf?

Ja. Der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme am pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld ist im Hartz IV-Regelbedarf nicht berücksichtigt. Nach dem Landessozialgericht NRW ist der Mehrbedarf auf 150 € zu veranschlagen. Das Gericht hat sich dabei am Preis eines Markentablets sowie dem Bedarfspaket für das digitale Klassenzimmer der Bundesregierung orientiert.
So entschieden: LSG NRW, Beschl. v. 22.05.2020 – L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B

Flugreise mit Kindern: Zustimmung des anderen Elternteils in Corona-Zeiten?

Ja. Eine Flugreise ins Ausland muss in Zeiten der Corona-Pandemie durch beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam entschieden werden, weil keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr vorliegt. Dies gilt auch, wenn keine Reisewarnung besteht. Das hat das OLG Braunschweig entschieden. Ist keine Einigung möglich, kann ggf. einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen werden.
So entschieden: OLG Braunschweig, Beschl. v. 30.07.2020 – 2 UF 88/20

Die Wirksamkeit von Eheverträgen im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleiches

Die Wirksamkeit von Eheverträgen im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleiches

Grundsätzlich können Eheleute verschiedene Vereinbarungen treffen. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleiches ist zulässig, wie auch die Vereinbarung von Gütertrennung und auch der Ausschluss eines Zugewinnausgleiches, soweit der Kernbereich des Scheidungsfolgenrechtes nicht berührt wird. Denkbar ist auch der Verzicht auf Betreuungsunterhalt, wenn grundsätzlich kein gemeinsamer Kinderwunsch besteht.

In Doppelverdienerehen, die keine gemeinsamen Kinder planen, ist der Ausschluss des Versorgungsausgleiches, d.h. die Teilung der Rentenanwartschaften im Falle einer Ehescheidung durchaus wirksam und realistisch. Wenn sich dann aber im Laufe der Ehe plötzlich etwas anderes ereignet, d.h. unerwartet ein Kind hinzukommt, bedeutet dies nicht unbedingt die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages.

Es ist stets abzustellen auf unterschiedliche Zeitpunkte, zum einen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und zum anderen zum Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft. Darin knüpfen letzten Endes auch unterschiedliche Rechtsfolgen an.

Führt die Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit gelten die gesetzlichen Regeln. Greift lediglich die Ausübungskontrolle ein, muss der wirksame Vertrag den geänderten Verhältnissen der Ehepartner angepasst werden. Im Ergebnis kommt es immer auf den Einzelfall an.

Die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters

Die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters

Der BGH hat erneut darüber entschieden und auch als verfassungsgemäß im Sinne des Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) anerkannt, dass eine Vaterschaftsanfechtung ausscheidet und zwar des leiblichen Vaters gegenüber dem rechtlichen Vater, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater eine soziale Beziehung gegeben ist.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung durch den leiblichen Vater im Sinne des § 1600 Abs. 2 BGB bleibt weiterhin, dass zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozialfamiliäre Bindung besteht.

Zum Beispiel lebt der neue Lebensgefährte seit einiger Zeit mit der Kindesmutter und dem Kind zusammen und hat dieser die Verantwortung für das Kind übernommen, und darüber hinaus auch die Vaterschaft anerkannt, kann der tatsächliche Vater, d.h. der biologische Vater nicht mehr in den bestehenden Familienbund eindringen.

Das Wohl des Kindes bleibt weiterhin im Vordergrund stehen.

So BGH Beschluss vom 18.10.2017 –  XII ZB 525/16

Streit nach Erbfall über Barabhebungen bei Vorsorgevollmacht

Streit nach Erbfall über Barabhebungen bei Vorsorgevollmacht

Vorsicht:

Erteilt der Vater eine General- und Vorsorgevollmacht, um Bargeld abzuheben, greifen hier die Regeln des Auftragsrechtes.

Der Auftragnehmer trägt dabei die Beweislast, dass die abgehobenen Gelder auch auftragsgemäß verwendet wurden.

Hiervon betroffen sind auch abgehobene Geldbeträge als Gegenleistung für Pflege und Betreuung.

Die gleiche Beweislast wird hier angewendet.

Liegt also zwischen Tochter und Vater ein handschriftlicher Vertrags vor, ist ein Auftragsverhältnis dem Grunde nach zu verneinen. Weitere Barabhebungen, Abhebungen von Kleinbeträgen, unterliegen dann nach Auffassung des Gerichtes allerdings einem Auftragsverhältnis. Hier war die Tochter des zwischenzeitlich Verstorbenen allerdings in der Lage nachzuweisen, dass die Barabhebungen auch wieder dem zwischenzeitlich Verstorbenen, aber damals noch lebenden Vater, zugeflossen, also an diesen herausgegeben worden waren.

Praxistipp: Sollten Angehörige Bedenken an der ordnungsgemäßen Ausübung eines Auftragsverhältnisses bzw. an der Erfüllung eines Vertragsverhältnisses haben, sind rechtzeitig rechtliche Schritte z.B. durch Anregung eines Kontrollbetreuers bei Gericht einzuleiten.

Ist das Geld einmal aufgebraucht, ist es oftmals nur schwer bei einem Streit nach Erbfall irgendwelche Regress- bzw. Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

BAföG-Leistungen

BAföG-Leistungen

Die BAföG-Leistungen eines Studenten, der nicht im Haushalte der Eltern, nicht in der Wohnung der Eltern lebt, ist höher angesetzt. Lebt der Auszubildende oder Studierende im Haushalt eines Elternteils, erfolgt demzufolge eine Kürzung der BAföG-Leistungen.
Eine Ausnahme hiervon hat das Bundesverwaltungsgericht zugelassen, wenn der Auszubildende einen Elternteil in seine Wohnung aufgenommen hat. Dann ist hierin eine Unterstützung des Auszubildenden gegenüber seinem Elternteil gegeben, erst recht, wenn der Elternteil von Sozialleistungen lebt und vom Auszubildenden in dessen Wohnung aufgenommen wird, weil der andere Elternteil über keinen eigenen Wohnraum mehr verfügt.
Dann ist nicht mehr die Rede davon, dass der Auszubildende bei dem Elternteil wohnt, sondern umgekehrt, dass der Elternteil beim Auszubildenden lebt.
Es greift also nicht der Grundsatz über die Gewährung von BAföG-Leistungen, dass ein Elternteil Kosten spart.
Die BAföG-Leistungen sind in voller Höhe zu gewähren, wie wenn der Auszubildende bzw. Studierende alleine eine eigene Wohnung unterhalten würde, so Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 08.11.2017 – 5 C 11.16

Immer wieder ein brisantes Thema – Wie verfasse ich meinen Willen?

Immer wieder ein brisantes Thema – Wie verfasse ich meinen Willen?

Immer wieder ein brisantes Thema. Wie verfasse ich meinen Willen, dass der auch dann umgesetzt wird, wenn ich es nicht mehr kann!

Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung: BGH klärt Anforderungen

Welche Anforderungen müssen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen? Der BGH hat entschieden, dass eine schriftliche Patientenverfügung, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt, konkrete Entscheidungen des Betroffenen über bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen enthalten muss.

Wie verfasse ich meinen Willen – Darum geht es

Die 1941 geborene Betroffene erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor sie infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013. Die Betroffene hatte 2003 und 2011 zwei wortlautidentische, mit „Patientenverfügung“ betitelte Schriftstücke unterschrieben.
In diesen war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. An die „Patientenverfügung“ angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht, dann an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einzubringen und in ihrem Namen Einwendungen vorzutragen, die die Ärztin berücksichtigen solle.

Außerdem hatte die Betroffene 2003 in einer notariellen Vollmacht dieser Tochter Generalvollmacht erteilt. Diese berechtigte zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung. Die Bevollmächtigte könne „in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden mit dem Zusatz, dass die Betroffene im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.

Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter der Betroffenen die gegenteilige Meinung und haben deshalb beim Betreuungsgericht angeregt, einen sog. Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen, der die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerruft. Während das Amtsgericht dies abgelehnt hat, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge“, bestellt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die Vollmacht schriftlich erteilt ist und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen.

Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann. Ob die beiden von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, weil sie nach ihrem Wortlaut lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise enthalten. Jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt aber den gesetzlichen Anforderungen.

Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein „lebensverlängernde Maßnahmen“. Auch im Zusammenspiel mit den weiteren enthaltenen Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, was für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich wäre. Das Landgericht wird nach Zurückverweisung allerdings zu prüfen haben, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.

BGH, Beschl. vom 06.07.2016 – XII ZB 61/16
Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 09.08.2016

Wie lange muss man eigentlich zahlen?

Wie lange muss man eigentlich zahlen?

Ausbildungsunterhalt: BGH bestimmt Rechte und Pflichten

Wann haben Kinder in der Ausbildung Anspruch auf Unterhalt? Und welche Rechte und Pflichten bestehen? Der BGH hat die Grenzen des Ausbildungsunterhalts näher bestimmt. In welchem Umfang und Rahmen Eltern eine Berufsausbildung ihrer Kinder finanzieren müssen, hängt demnach von den Umständen wie z.B. Schulabschlüssen, Ausbildungsangeboten und der persönlichen und wirtschaftlichen Situation ab.

Wie lange muss man eigentlich zahlen? – Darum geht es

Das antragstellende Land nimmt den Antragsgegner, dessen Tochter es Vorausleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährt hat, auf Ausbildungsunterhalt aus übergegangenem Recht in Anspruch. Die im November 1984 geborene nichteheliche Tochter erwarb im Jahre 2004 das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Ab dem Wintersemester 2004/2005 bewarb sie sich im Vergabeverfahren der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Medizinstudienplatz. Nachdem ihr kein solcher zugewiesen wurde, begann sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin, die sie im Januar 2008 erfolgreich abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin.

Im September 2011 erhielt der Vater durch die Aufforderung des Studierendenwerks zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse Kenntnis von der Studienaufnahme seiner Tochter. Er hatte weder mit deren Mutter noch mit ihr jemals zusammengelebt und seine Tochter letztmals getroffen, als sie 16 Jahre alt war. Per Brief hatte er ihr im Jahre 2004 nach dem Abitur – dessen erfolgreiche Ablegung er annahm – mitgeteilt, er gehe vom Abschluss der Schulausbildung aus und davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Nachdem eine Reaktion hierauf unterblieb, stellte er die Unterhaltszahlungen für seine Tochter ein. Das Amtsgericht hat den auf Zahlung von insgesamt 3.452,16 € (BAföG-Vorausleistung für Oktober 2011 bis September 2012) gerichteten Antrag abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Landes zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Ein einheitlicher Ausbildungsgang in diesem Sinn kann auch gegeben sein, wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch ist zudem vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit aufzunehmen und zu beenden, wobei ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes unschädlich ist. Eine feste Altersgrenze, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Unterhaltspflicht richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Denn zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird.

Eine Unterhaltspflicht wird daher umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Auch wenn der Unterhaltsanspruch keine Abstimmung des Ausbildungsplans mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, kann es der Zumutbarkeit entgegenstehen, wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden. Nach diesen rechtlichen Maßgaben bestand im vorliegenden Fall kein Unterhaltsanspruch mehr. Allerdings ist das Studium nicht allein wegen der Abiturnote unangemessen. Entstehen bei einem mit Numerus Clausus belegten Studiengang notenbedingte Wartezeiten, kann das lediglich zur Folge haben, dass das Kind seinen Bedarf während der Wartezeit durch eine eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen muss.

Auch fehlt insbesondere nicht der zeitliche Zusammenhang zwischen Lehre und Studium, weil die Tätigkeit im erlernten Beruf lediglich der Überbrückung der zwangsläufigen Wartezeit diente. Die Inanspruchnahme des Vaters ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls hier unzumutbar, selbst wenn er während der Lehre seiner Tochter nicht für ihren Unterhalt aufkommen musste. Denn bei dem Alter der Tochter von fast 26 Jahre bei Studienbeginn musste der Vater typischer Weise nicht mehr ohne weiteres mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter rechnen. Entsprechend hatte er im Vertrauen darauf, nicht mehr für den Unterhalt der Tochter aufkommen zu müssen, verschiedene längerfristige finanzielle Dispositionen (kreditfinanzierter Eigenheimkauf; Konsumentenkredite) getroffen. Dieses Vertrauen war im vorliegenden Fall auch schützenswert, weil ihn seine Tochter trotz seiner schriftlichen Nachfrage zu keinem Zeitpunkt über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt hatte.

BGH, Beschl. v. 03.05.2017 – XII ZB 415/16
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 03.05.2017

Streit um Kinderimpfung: Wer entscheidet?

Streit um Kinderimpfung: Wer entscheidet?

Wenn sich Eltern über Schutzimpfungen ihres Kindes nicht einigen können, kann das Familiengericht bestimmen, wer die Entscheidungsbefugnis hat. Ein Elternteil, der sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) ausrichtet, kann dann zu Recht als besser geeignet angesehen werden. Ein gesondertes Gutachten ist in diesem Fall nicht notwendig. Das hat der BGH entschieden.

Darum geht es

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen Eltern ihrer im Juni 2012 geborenen Tochter. Diese lebt bei der Mutter. Zwischen den Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt.

Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter ist ohne Erfolg geblieben. Nach § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.

Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, welche nach § 1687 Abs. 1 BGB in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fiele, bei dem sich das Kind aufhält, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen, die als Alltagsangelegenheiten häufig vorkommen.

Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.

Das Oberlandesgericht hat den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden.

Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, konnte das Oberlandesgericht auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, musste das Oberlandesgericht dagegen nicht zum Anlass für die Einholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens über allgemeine Impfrisiken nehmen.

BGH, Beschl. v. 03.05.2017 – XII ZB 157/16

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 23.05.2017

Wie geschieht die Rückabwicklung einer Pensionskürzung beim Versorgungsausgleich

Wie geschieht die Rückabwicklung einer Pensionskürzung beim Versorgungsausgleich

Verstirbt der geschiedene Ehegatte eines Beamten oder Soldaten, ohne eine eigene echtente bezogen zu haben, so kann die Kürzung der Versorgungsbezüge erst ab der Stellung eines Antrags aufgehoben werden. Eine Rückabwicklung der schon erfolgten Kürzungen bleibt auch dann ausgeschlossen, wenn der Tod des geschiedenen Ehegatten nicht bekannt war. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Pensionskürzung beim Versorgungsausgleich – Darum geht es

Bei den Klägern handelt es sich um einen Beamten und einen Soldaten, die sich seit 1993 bzw. 1994 im Ruhestand befinden. Von Beginn ihres Ruhestandes an wurden ihre Pensionsbezüge gekürzt, weil bei der vorangegangenen Scheidung im Rahmen des Versorgungsausgleichs anteilige Ansprüche auf ihre Ehegatten übertragen worden waren. Die Ehegatten verstarben im Jahr 2004 bzw. im August 2009.

Die Kläger hatten hiervon zunächst keine Kenntnis; in einem Fall war der Kontakt seit vielen Jahren vollständig abgebrochen, in dem anderen Fall war der geschiedene Ehegatte nach Australien ausgewandert und dort verstorben. Der Dienstherr hob die Kürzung der Versorgungsbezüge erst ab der Stellung entsprechender Anträge im Jahr 2010 auf. Die Kläger erstreben dagegen die weitergehende Aufhebung der Kürzung rückwirkend ab dem Beginn ihres Ruhestandes. Ihre Klagen blieben in den Vorinstanzen ohne Erfolg.

Punktereform 2014: Spezialreport u. Synopse

Mit dem 1. Mai 2014 hat sich einiges beim Fahrerlaubnisrecht geändert. Sind Sie auf dem aktuellen Stand? Unser Autor und Verkehrsrechtsexperte RA Christian Sitter hat Ihnen einen 74-seitigen Spezialreport mit Synopse zusammengestellt. Erleichtern Sie sich jetzt die Umstellung – Jetzt gratis anfordern!

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das am 01.09.2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsgesetz auf die beiden Streitfälle Anwendung findet, weil die Kläger ihre Anträge erst nach diesem Datum gestellt haben. Nach den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes ist – anders als nach dem bis dahin geltenden Versorgungsausgleichshärtefallgesetz – eine rückwirkende Aufhebung der Kürzung ausgeschlossen. Dies ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, und zwar auch dann, wenn der geschiedene Ehegatte vor seinem Tode keine Rentenleistungen bezogen hat.

Der Grund hierfür liegt in dem Institut der Ehe, das auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfaltet. Mit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird das individuelle Risiko des frühen Versterbens endgültig und dauerhaft auf beide Ehegatten verteilt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 06.05.2014 – 1 BvL 9/12,1 BvL 1145/13).

Eine von den Klägern geltend gemachte Ungleichbehandlung gegenüber nicht Geschiedenen sowie gegenüber Geschiedenen, die vor dem 01.09.2009 von dem Tod des früheren Ehegatten erfahren haben, hat das Bundesverwaltungsgericht ebenso verneint wie einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.

Die sich aus der gesetzlichen Regelung mittelbar ergebende Obliegenheit, das weitere Lebensschicksal des geschiedenen Ehegatten zu verfolgen, ist auch verhältnismäßig. Aufgrund der eingegangenen Ehe steht der Beamte oder Soldat in größerer Nähe zu den maßgeblichen Umständen als der Dienstherr. Außerdem steht ihm regelmäßig ein Auskunftsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger des anderen Ehegatten zu.

 

BVerwG, Urt. v. 19.11.2015 – 2 C 20/14 und 2 C 48/13

Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 19.11.2015